Erfahrungsaustausch zum "Lebensraum Wald"

Beim 5. grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch zum Schutzgebietsmanagement zwischen Österreich und Tschechien stand der Lebensraum Wald im Mittelpunkt.

Das INTERREG-Projekt ConNat AT-CZ ist ein Projekt zur Lebensraumvernetzung und damit zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Situation der Biodiversität zwischen Niederösterreich und Tschechien. Es geht dabei auch um Vernetzung und Erfahrungsaustausch zwischen Menschen aus beiden Ländern, um die Betreuung von Schutzgebieten zu optimieren. Am 17.9.2020 fand das 5. Treffen zum Thema „Lebensraum Wald“ mit FachexpertInnen aus Tschechien und Österreich im und um das Stift Altenburg statt.

Naturwaldverjüngung überwächst Brombeerdickicht

Der Förster, der die Brombeeren liebt

Das Austauschtreffen begann mit einer Exkursion in den Forstbetrieb des Stifts Altenburg, geführt durch Forstdirektor Ing. Herbert Schmid. Dabei wurde das nachhaltige Bewaldungskonzept des Stifts in der Praxis vorgestellt, das sich nach der Strategie des Dauerwaldes mit beinahe vollständiger Naturverjüngung richtet. Auf Fichtenausfälle nach Eisbruch mit folgendem Kahlschlag wuchsen aus Brombeerdickicht junge, kerngesunde Mischbestände aus Tannen, Eichen, Buchen, Kirschen und vielem mehr.

Durch die lebende grüne Dauerbedeckung des Bodens ist dieser optimal geschützt, der Wasserhaushalt funktioniert und kostenintensive Eingriffe durch den Menschen entfallen. Wichtig dabei ist das Jagdmanagement. Der Wildbestand muss niedrig gehalten werden, damit die Naturverjüngung stattfinden kann. Auf Winterfütterung wird generell verzichtet.

Im zweiten Exkursionsteil in einen Wald mit Rotwildbestand konnte ebenfalls eine vitale, gut funktionierende Naturverjüngung gezeigt werden. Das Rotwild hat durch großzügige Begleitwiesenstreifen neben den Forstwegen genügend geschützte Äsungsfläche im Wald und lässt so den Jungaufwuchs der Waldbäume weitgehend in Ruhe. Die Wiesenstreifen, die den Wald durchziehen, bieten auch genügend Lebensräume für seltene Wildbienen, Schmetterlinge, und weitere Insekten, die für das Funktionieren des gesamten Ökosystems Wald entscheidend sind. Der Forstbetrieb achtet darauf, dass genügend Totholz im Wald verbleibt und auch Lebensraum für seltene Insektenarten erhalten wird.

Die Referenten des Tages: v.l.n.r. Vladan Riedl, Martin Škorpík, Reinhard Pekny, Herbert Schmid, Gerald Blaich, Pavel Unar

Waldexperten und Biologen berichten

Nach diesem Einblick in gelungenes Schutzgebietsmanagement, ein Teil des Stiftswaldes liegt im Europaschutzgebiet Kamp-Kremstal, stellten eine Reihe von Waldexperten und Biologen weitere Erfahrungen aus ihrer Arbeitswelt vor.

Ing. Gerald Blaich, Förster vom Stift Zwettl, stellte sein Lebenswerk vor. Schon früh hat er erkannt, dass die reinen Fichtenbestände keine Zukunftsperspektive vor allem in Zusammenhang mit dem fortschreitenden Klimawandel sind. Da heute noch keiner weiß, wie genau ein „klimafitter“ Wald zusammengesetzt sein muss, hat er über das ganze Gebiet verteilt Aufforstungen mit einer möglichst breit gefächerten Baumartenzusammensetzung durchgeführt. So sind genügend Samenträger für Naturverjüngung gegeben. Ein Teil des Waldes wurde ganz aus der Nutzung genommen, um hier der natürlichen Dynamik Raum zu geben.

Ing. Vladan Riedl, Förster aus dem Schutzgebiet Palava – Pöllauer Berge - bei Mikulov in Tschechien, berichtete von Beobachtungen und Strategien in einem Teil des Schutzgebiets. Hierbei geht es vor allem auch um ausreichende Maßnahmen, um gefährdete Tier- und Pflanzenarten, wie zum Beispiel den Apollofalter, zu fördern bzw. Lebensraum zu erhalten. Windwurf und auch bewusst angelegte Lichtungen bringen Licht in den sonst sehr schattigen Wald und erhöhen die Vielfalt und das Vorkommen von mehreren Arten. Seine Erfahrungen bestätigen auch die Wirkung breit ausgestalteter Forstwege mit natürlichen artenreichen Wiesenstreifen im Stiftswald.


Reinhard Pekny, Förster und Naturraummanger des Wildnisgebiets Dürrenstein, berichtete darüber, wie es sich auswirkt, wenn das Management in größerem Stil reduziert wird. Im Wildnisgebiet, das derzeit ca. 3.500 ha umfasst, aber bald vergrößert werden soll, ist die Zielsetzung, jedes Management zu unterlassen und der natürlichen Dynamik Raum zu geben. Das Potenzial der Naturverjüngung konnte auch er überzeugend zeigen. Windwurf und Lawinenereignisse nahmen in den letzten Jahrzehnten auch infolge des Klimawandels erheblich zu. Der Naturverjüngung kommt dabei große Bedeutung zu. Pekny machte deutlich, dass zum Beispiel bei der künstlichen Aufforstung ca 2.500 Bäume pro ha gesetzt werden, demgegenüber stehen Millionen von natürlichen Samen, von denen viele Zigtausende keimen und sprießen und so eine größere Chance gegeben ist, dass sich konkurrenzstarke Exemplare durchsetzen und mehr von ihnen durchkommen. Vorausgesetzt natürlich, es sind genügend Samenträger vorhanden.


Ing. Pavel Unar PhD. vom Forschungsinstitut Tarouca in Tschechien berichtete von natürlichen Störungen in Wäldern tiefer Lagen, Forschungen zu Insektenvorkommen speziell auch im Nationalpark Podyji, in dem auch schon vor der Erklärung zum Nationalpark durch die Lage im Grenzstreifen seit 1951 keine Nutzung mehr erfolgte. Durch Eisbruch wurden im Jahr 2014 größere Flächen des Waldes zerstört. Es wurde daraufhin beobachtet, wie sich die natürliche Dynamik auf diesen Flächen ohne Eingriff des Menschen entwickelt. Er stellte die Entwicklung der Pflanzenvielfalt auf den Störflächen vor und ihre positive Auswirkung auf holzzersetzende Arten.


Zuletzt referierte Ing. Martin Škorpík von Nationalpark Podyí, dem unmittelbaren Nachbarn des Nationalparks Thayatal. Ausgehend von der geologischen und der durch den Einfluss des Menschen geprägten Geschichte des Nationalparks erklärte er die jetzige Situation und die Ansätze, wie der Erhalt gefährdeter Arten gewährleistet wird. Sehr oft geht es dabei darum etwa wertvolle Wiesenteile zu erhalten. Traditionelle Nutzungen finden heute oft nicht mehr statt und müssen durch Managementmaßnahmen ersetzt werden. Es gibt aber auch Ansätze, Beweidungen mit Kleinpferden zu forcieren, die ganzjährig auch mit sehr magerem Futter ihr Auslangen finden und gewährleisten, dass Offenbereiche erhalten bleiben, die wiederum für den Erhalt zahlreicher seltener Pflanzen, Insekten, Vögel, Reptilien entscheidend sind.

Resümee

Es wurde in den Pausen und auch im Anschluss angeregt diskutiert, es wurden Kontakte geknüpft, mit den entsprechenden Corona-bedingten Abstandsregeln. Insgesamt konnte ein sehr zuversichtliches Resümee gezogen werden, dass sich die Förderung der Biodiversität mit an der Natur orientierten Ansätzen mit dem Ziel eine möglichst hohe Artenvielfalt zu erhalten als resiliente Basis für die zukünftige Entwicklung der Waldlebensräume erweist.